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Kampagne zum Tag der Menschenrechte*, 10. Dezember 2022

 

Musterstaat ohne Menschenrechte

 

Ruanda zwischen Wirtschaftsboom und Menschenverachtung

 

Seit vielen Jahren lässt das ruandische Regime KritikerInnen verhaften, verschwinden, töten. Trotzdem konnte sich das Land einen Namen als Musterstaat Afrikas machen: Für die britische Regierung ein Argument, mit Ruanda einen Abschiebe-Deal für Geflüchtete zu unterschreiben. Die Zeche zahlen Menschen, die schon vor ihrer Ankunft in Grossbritannien von Folter und sonstiger Gewalt gezeichnet sind – und die unterdrückte Bevölkerung Ruandas.

 
 
 

«Selbstmord», beteuerte die ruandische Polizei am 17. Februar 2020, als sie bekanntgab, dass Kizito Mihigo morgens in seiner Polizeizelle in Kigali tot aufgefunden worden war. Kizito Mihigo, der 38 Jahre alt wurde, war ein beliebter Gospelsänger und Friedensaktivist. Und er war ein Kritiker des ruandischen Präsidenten Paul Kagame.


Der Einzige, der sich traute, die Behördenversion zu Mihigos Todesursache anzuzweifeln, war der Journalist Dieudonné Niyonsenga. Einige Tage nach dem Tod des Sängers zeigte Niyonsenga auf seinem viel beachteten Online-Fernsehkanal Ishema TV eine Reportage, die aussagte, dass während der Beerdigung drei Verletzungen im Gesicht des verstorbenen Mihigo zu sehen gewesen seien. «Er hat sich definitiv nicht erhängt», sagte eine Zeugin im Video, «ja, er wurde schlicht und einfach ermordet.» Im Internet kursieren grausame Details zu den Folterungen, die Kizito Mihigo kurz vor seinem Tod erlitten haben soll. Doch eine glaubwürdige Untersuchung zu Mihigos Tod gab es von offizieller Seite bis heute nicht.

 
 
 
 
 
 
 
 

Wer kritisiert, riskiert Freiheit und Leben


Bereits 2020 hatte Niyonsenga nach regierungskritischen Reportagen Ärger mit der ruandischen Justiz gekriegt. Im November 2021 wurde er schlussendlich zu sieben Jahren Haft und einer happigen Geldbusse verurteilt. Welche Rolle die Reportage über den Sänger Kizito Mihigo bei der Anklage und der Verurteilung gespielt hat, ist schwierig festzustellen – aber dass seine Journalistenarbeit als Provokation interpretiert wurde, ist eindeutig. Die Anklagen wie «illegale Ausübung des Journalistenberufs» und «Demütigung von Staatsbeamten» waren sowohl schikanös als auch ein Verstoss gegen die Pressefreiheit.


Während des Prozesses beschwerte sich Niyonsenga über Folter in der Untersuchungshaft. Als sein Vater ihn im November 2021 im Gefängnis in Kigali besuchte, wurde auch dieser verhaftet und drei Tage lang unter erniedrigenden Bedingungen festgehalten, nur weil er seinen Sohn besuchte.

 

 
 
 

Dieudonné Niyonsenga

BILD: Umubavu Tv Online auf Youtube, CC BY (Screenshot)

 
 
 

 
 

→ Beitrag zum Thema von Radio Life Channel oder von Radio RaBe (Interviews mit unserer Mitarbeiterin Katleen De Beukeleer)

 

 
 
 

 

Kizito Mihigo und Dieudonné Niyonsenga sind keine Einzelfälle in Ruanda. Präsident Paul Kagame regiert das Land mit seiner Partei, der Ruandischen Patriotischen Front RPF, seit dem Jahr 2000 mit eiserner Hand. Wer sein Regime kritisiert, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bedroht, schikaniert oder willkürlich verhaftet. Oder noch schlimmer: Oppositionelle und Journalisten verschwinden oder werden unter verdächtigen Umständen tot aufgefunden.

 

Alles kein Thema für die Regierungen von Grossbritannien und Dänemark. Ruanda sei ein fortschrittliches, sicheres Land. So fortschrittlich und sicher, dass die beiden Länder Geflüchtete, die auf ihrem Territorium Asyl beantragen, nach Ruanda schicken wollen.


«Die Schweiz Afrikas»


Ruanda, das noch lange ausschliesslich mit dem Völkermord von 1994 in Verbindung gebracht wurde, macht tatsächlich einiges richtig. Die Wirtschaft ist seit Anfang der 2000er Jahre stark gewachsen, der Lebensstandard vieler Menschen hat sich verbessert, die Korruption ist, verglichen mit anderen Ländern auf dem Kontinent, relativ gering. Ruanda zeigt gerne Erfolge wie sein «weltweit weiblichstes» Parlament.


Es ist Paul Kagames Ruanda gelungen, sich als afrikanischer «Vorzeigestaat» zu präsentieren. «Visit Rwanda», steht auf den Trikots der Fussballspieler von Arsenal und Paris Saint Germain. «Die Schweiz Afrikas? Hohe Berge, schöne Seen, dicht besiedelt […]» wirbt Knecht Reisen auf ihrer Seite zu Gorilla-Safaris in Ruanda.


Die Imagepflege Ruandas täuscht aber über die desaströse Menschenrechtslage hinweg. Sicherheit und Stabilität sind in Ruanda noch keine Synonyme für Frieden und Demokratie.

 
 

Der Völkermord in Rwanda


1994 töteten extremistische Gruppierungen der Hutu-Mehrheit in Ruanda innerhalb von rund hundert Tagen über 800 000 Menschen. Die meisten Opfer gehörten der Tutsi-Minderheit an. Unter den Getöteten gab es auch Angehörige der Twa-Minderheit, sowie Hutu, die sich nicht am Massenmord beteiligten. Die Regierung Ruandas versuchte nach dem Ende des Völkermords eine Politik des Wiederaufbaus und der Versöhnung. Diese Politik, von Paul Kagame wesentlich geprägt, war von der Abwehr der Gefahr durch Hutu-Extremisten beeinflusst, die von der Demokratischen Republik Kongo aus Ruanda destabilisieren und rückerobern wollten. Diese Bedrohung und die Erfahrung des Völkermords führten zur Herausbildung eines ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses, das die Ablehnung innenpolitischer Demokratisierungsforderungen wesentlich mit beeinflusst.


Quelle: Wikipedia


 

 
 

Abschiebeort für in Europa angekommene Geflüchtete


Für Grossbritanniens Alt-Premier Boris Johnson war die gelungene PR-Kampagne Paul Kagames ein Glücksfall. Er konnte auf die blumigen Behauptungen über Ruanda zurückgreifen, als er im April 2022 ein Abkommen mit Kagame schloss. «Ruanda ist eines der sichersten Länder der Welt und weltweit anerkannt für seine Willkommenskultur gegenüber Migranten», wurde Boris Johnson zitiert. Der Deal: Ruanda erhält umgerechnet 144 Millionen Euro, die Summe kann mit steigenden Fallzahlen aufgestockt werden. Im Gegenzug erhält Grossbritannien einen Abschiebeort für seine Asylsuchenden. Menschen, die illegal eingewandert sind, etwa mit Schlauchbooten über den Ärmelkanal, sollen nach Ruanda ausgeflogen werden. Egal, woher sie ursprünglich kommen. Erst in Ruanda dürfen sie einen Asylantrag stellen. Eine Rückkehr nach Grossbritannien ist nicht vorgesehen. Grossbritanniens erklärtes Ziel ist es, unattraktiv zu werden für Geflüchtete.


Der erste Flug mit Asylsuchenden nach Ruanda wurde Mitte Juni vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gestoppt. Bei Redaktionsschluss dieser Broschüre ist nicht klar, wie es weitergeht. Der Widerstand gegen den Ruanda-Pakt ist gross. Der High Court in London prüft momentan, wie rechtmässig der Deal ist. Die neue Premierministerin Liz Truss jedoch will am Abkommen festhalten, es sogar ausbauen. Ein Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ist nicht mehr undenkbar.


Die dänische Regierung verfolgt die gleiche Strategie. Ruanda und Dänemark haben bereits eine Erklärung unterzeichnet, die vorsieht, Asylsuchende von Dänemark nach Ruanda zu schicken. Der österreichische Innenminister hat die Dänen schon mehrmals dafür gelobt.


Kein sicherer Zufluchtsort


Die Wohltätigkeitsorganisation Medical Justice untersuchte den Hintergrund von Asylsuchenden, die eine Abschiebung von Grossbritannien nach Ruanda riskieren. Sie stellte fest, dass viele unter ihnen wahrscheinlich Folter erlitten haben. Der Ruanda-Deal sei «generell für jeden schädlich, ganz besonders aber für die Überlebenden von Folter und Menschenhandel, die bereits einen hohen Preis zahlen müssen, bevor überhaupt ein Flug nach Ruanda gestartet ist», schrieb Medical Justice.


Menschen auf der Flucht brauchen Schutz statt einer weiteren Abschiebung – erst recht, wenn die Endstation Ruanda sein soll. Ruanda ist kein sicherer Zufluchtsort. Das zeigte sich zum Beispiel, als Israel 2013 um die viertausend Geflüchtete aus dem Sudan und aus Eritrea nach Ruanda schickte. Die Menschen konnten sich freiwillig für die Übersiedlung melden. Wie sich einige Jahre später herausstellte, blieb kein einziger von ihnen in Ruanda. Wie zynisch es ist, von einer ruandischen Willkommenskultur gegenüber Geflüchteten zu reden, wurde auch 2018 wieder deutlich. Ruandische Sicherheitskräfte erschossen mindestens zwölf Geflüchtete aus der Demokratischen Republik Kongo, als sie gegen eine Kürzung der Lebensmittelrationen protestierten. Über sechzig Protestierende wurden festgenommen und verfolgt, unter anderem wegen Rebellion und «Verbreitung falscher Informationen mit der Absicht, eine feindliche internationale Meinung gegen den ruandischen Staat zu erzeugen».
Die Zeitung The Guardian zitierte im September einen 21-jährigen Syrer aus einer Unterkunft für illegal Eingereiste: «Wir sagen alle: ‹Besser, wir bringen uns um, als nach Ruanda zu gehen›.»


Die ruandische Bevölkerung ihrerseits kann auf wenig Unterstützung aus Europa hoffen, wenn das Kagame-Regime dermassen gelobt wird und Deals ohne Bedingungen abgeschlossen werden.

 

Katleen De Beukeleer, Kampagnen- und Kommunikationsverantwortliche ACAT-Schweiz

 

 
 
 

 

Auch interessant:

→ Interview mit der ruandischen Aktivistin Assumpta N.- Uwababyeyi: Die Überlebende des Völkermordes organisiert heute von der Schweiz aus Hilfe für politische Gefangene in Ruanda.

 
 
 

Ruanda in Zahlen

 

 
 
 
 

* Der Tag der Menschenrechte ist der Gedenktag zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 durch die UNO-Vollversammlung verabschiedet wurde. Er wird jedes Jahr weltweit am 10. Dezember begangen.

 
 

TITELBILD: George Kamau & Daniel Ecwalu, Ubumuntu Arts Festival 2019 («Afrikas wichtigste Veranstaltung der darstellenden Künste für sozialen Wandel») (Flickr, öffentliche Domäne)

 
 
 

Dossier als PDF

 

 

Kampagnendossier zum Menschenrechtstag 2022 als PDF:

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