BILD: Proteste in Minsk, Sommer 2020

(Jana Shnipelson auf Flickr, Public Domain)

 
 
 
 
 
 
 

Karfreitagskampagne 2022: Hintergrund

 

Halte zu Belarus!

 

Der Protest der belarusischen Bevölkerung gegen den Diktator wird von Repression übertönt. Der Widerstand bleibt.

 
 

März 2022

WICHTIGE VORBEMERKUNG

Während Vladimir Putin Belarus als Durchmarschgebiet für seinen Angriffskrieg nutzt, geht die Unterdrückung der belarusischen Bevölkerung durch Diktator Alexander Lukaschenko weiter. Willkürliche Festnahmen bis hin zu Folter sind immer noch allgegenwärtig. Dabei ist zu beachten, dass das belarusische Diktatorenregime und die Zivilbevölkerung sich grundlegend unterscheiden. Ein Grossteil des belarusischen Volkes identifiziert sich in keinster Weise mit der russlandfreundlichen Haltung Lukaschenkos. Schliesslich sind es die BelarusInnen selbst, die seit Jahren von Lukaschenko mit Putins Hilfe unterdrückt werden. 

 

Die Protestbewegung braucht weiterhin Unterstützung.

 
 

Unmenschliche Behandlungen durch den Staat, bis hin zu Folter: Das gibt es auch in Europa noch. Seit 2020 wehrt sich die belarusische Bevölkerung friedlich, aber mit Überzeugung und Durchhaltewillen gegen den langjährigen Diktator Alexander Lukaschenko. Dieser Hintergrundtext erklärt, warum in Belarus kaum jemand ohne Tasche das Haus verlässt, wie Lukaschenko Menschen als Marionetten missbraucht, und warum Belarus unsere Aufmerksamkeit weiterhin – und vielleicht mehr als je – braucht.

 

Text: Katleen De Beukeleer, Verantwortliche für Kampagnen und Kommunikation

 
 

Kurzfassung

  • Diktator Alexander Lukaschenko unterdrückte die Massenproteste vom Sommer 2020 mit Brutalität. Doch der Protest ist bei weitem nicht verstummt.
  • Bis heute wurden mindestens 5000 Menschen in Belarus misshandelt oder gefoltert. Kein einziger Polizeibeamter wurde zur Verantwortung gezogen. Foltervorwürfe von Seiten der Angeklagten werden von den Richtern völlig ignoriert.
  • Belarus hat weiterhin eines der perfidesten Todesstrafe-Regimen der Welt.
  • Lukaschenko macht skrupellos weiter. Es gibt bereits über tausend politische Gefangene. Geflüchtete aus dem Nahen Osten wurden als Spielfiguren missbraucht, um den Nachbarländern Schachmatt zu setzen.
  • Trotz allem ist die Protestbewegung gegen Lukaschenko weitgehend aus den internationalen Schlagzeilen verschwunden.
  • Auch die Schweiz reagiert zögernd.
  • Wir finden: Wir sollen mehr denn je zu Belarus halten!
 
 

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BILD: Protestkundgebung in Minsk am 30. August 2020.

(Natalia Rak auf Flickr, CC BY-NC 2.0)

 
 

Für viele Menschen in Belarus* sieht ein normaler Tag so aus: «Wenn Sie morgens aus dem Haus gehen und zur Arbeit fahren, müssen Sie immer eine Tasche mitnehmen. Darin verstauen Sie frische Kleider und Ihr Necessaire für den Fall, dass Sie von der Strasse weg verhaftet und ins Gefängnis gesteckt werden. Sei es, weil Sie in einer Textnachricht die Revolution erwähnen oder an einer Kundgebung teilnehmen. Auch in der Wohnung fühlt man sich nicht sicher.» So beschrieb es die belarusische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja am 1.April 2021 in der SRF-Sendung «Gredig direkt». 

 

Tichanowskaja weiss, wovon sie spricht. Im Frühling 2020 wollte ihr Ehemann, der politische Aktivist und Blogger Sergej Tichanowski, für die belarusische Präsidentschaftswahl kandidieren. Die Zentrale Wahlkommission verbot es ihm aber. Daraufhin beschloss Swetlana Tichanowskaja, bis dahin ohne jegliche politischen Ambitionen, für die Wahl anzutreten. Die Wahlkommission liess sie zu, denn Präsident Alexander Lukaschenko war der Meinung, eine Frau könne ohnehin keine Gefahr für ihn darstellen. «Die Arme würde unter der Last zusammenbrechen», hatte er behauptet.  Tichanowskajas Mann hingegen liess er verhaften, unter der Anschuldigung, einen schwerwiegenden Verstoss gegen die öffentliche Ordnung vorbereitet zu haben. Nach mehr als eineinhalb Jahren Untersuchungshaft wurde er im Dezember 2021 zu achtzehn Jahren Strafkolonie verurteilt. 

 

Eine breite Allianz scharte sich um Swetlana Tichanowskaja, darunter die bekannten Gesichter Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo. Ihre Kinder schickte Tichanowskaja noch vor den Wahlen vom 9.August 2020 ins litauische Exil. 

 

Dank flächendeckender Fälschungen konnte Lukaschenko sich eine sechste Amtszeit sichern. Tichanowskaja jedoch gilt im In- und Ausland als die wahre Wahlsiegerin. Am Tag nach der Wahlfarce war die Oppositionsführerin im Staatsfernsehen zu sehen. In einer erzwungenen Erklärung «gestand» sie ihre Niederlage ein und warnte ihre Anhänger davor, sich an Protesten zu beteiligen. Daraufhin wurde sie des Landes verwiesen. «Gott bewahre, dass du jemals vor der gleichen Entscheidung stehst wie ich», sagte sie in einem späteren Statement. Es war ihr unter anderem damit gedroht worden, dass man ihren Kindern und ihrem Mann etwas antun würde, falls sie in Belarus geblieben wäre. 

 

Die Ausschaltung der Opposition und die schamlosen Manipulationen trieben die Menschen zu Hunderttausenden auf die Strassen. Monatelange, stets friedliche Massenproteste folgten – und eine harsche Repression, die bis heute anhält. Die führenden Köpfe der Protestbewegung wurden entweder verhaftet oder verliessen das Land. Nach und nach wurde der Protest stiller. Verstummt ist er aber bei weitem nicht. 

 
 
 

 
 

Swetlana Tichanowskaja am 8. Oktober 2020 während eines Treffens mit dem österreichischen Aussenminister in Wien. Der Schweizer Bundesrat will die Oppositionsführerin bis heute nicht empfangen.
BILD: Österreichisches Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten/Gruber, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

 
 
 

 

5000 Beschwerden über Folter und Misshandlung 

 

Während es in Belarus vor einem Jahr um die 270 Inhaftierte gab, die gemäss Menschenrechtsorganisationen als politische Gefangene galten, sind es im Februar 2022 bereits 1060 – Tendenz weiterhin steigend.Dokumentiert werden die Verhaftungen von Viasna, der bedeutendsten belarusischen Menschenrechtsorganisation, deren Mitglieder nun mehr als je zuvor Zielscheibe des Lukaschenko-Regimes sind. Die Fotos der aktuellen politischen Gefangenen aus ganz Belarus, die Viasna auf ihrer Website publiziert, machen die Tragweite der Unterdrückung spürbar: Es sind Selfies, Ferienfotos, Bilder am Fussballplatz oder beim Grillieren. Von Menschen, die unsere Freunde oder Nachbarn sein könnten. Viele unter ihnen sind jung – zwanzig, dreissig Jahre alt.

 

Was diese Menschen erleben müssen, zeigen weitere Zahlen von Viasna.  Der Organisation sind rund fünftausend Beschwerden über Folter oder anderweitige Misshandlungen bekannt – darunter mehr als hundert von Minderjährigen – denen nicht ordnungsgemäss nachgegangen wurde. Polizeigewalt und Folterungen führten sogar zu mehreren Todesfällen.  Die offiziellen Ermittler, so Viasna, hätten keine Informationen über verdächtige Polizeibeamte bereitgestellt oder sie befragt. Ihr Nichtstun hätten sie mit dem «Schutz der Ehre, der Würde und des geschäftlichen Ansehens» sowie der «Gewährleistung der Sicherheit der Polizeibeamten» begründet. Bis Ende 2021 sei kein einziger Polizeibeamter angeklagt worden. Während der Gerichtsprozesse hätten die «Richter» die Aussagen über Folter der angeklagten Oppositionellen völlig ignoriert. Viasna selber hat bis Ende 2021 mehr als tausend Fälle von Folter dokumentieren können. Die Analysen deuteten darauf hin, «dass die [bis jetzt untersuchten] Folterungen weit verbreitet und systematisch waren und von den Behörden als politisch motivierte Strafmassnahme zur Einschüchterung der belarusischen Gesellschaft organisiert wurden». 

 
 
 

 
 
 

 
 
 

Belarus ist viel näher, als wir es uns oft vorstellen. Eine Autofahrt von Zürich zur Hauptstadt Minsk dauert ca. zwanzig Stunden; kaum mehr als nach Palermo oder Pristina.
Das Land ist mit ca. 200 000 km2 fünfmal so gross als die Schweiz. Heute leben etwa 9,5 Millionen Menschen im Land. Gemäss der UNO leben 1,5 Millionen BelarusInnen ausserhalb des Landes.

 

KARTE OBEN: Unomano, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons (Ortsangaben: ACAT-Schweiz)

KARTE UNTEN: TUBS,CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

 
 

«Sozialvertrag» zwischen Volk und Diktatur 

 

Vor dem ersten Weltkrieg gehörte das heutige Belarus zu Polen, Litauen und/oder Russland und ihren Vorläufern. 1918 entstand erstmals eine Nation, die «Belarus» im Namen führte: die Belarusische Volksrepublik. Diese existierte jedoch nur wenige Wochen. 1919 wurde das Gebiet zur Belarusischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Urbanisierung und Industrialisierung brachten Wohlstand; die Sehnsucht nach einer belarusischen Nation blieb beschränkt. Die Republik Belarus entstand 1991 als logische Folge des Auseinanderbrechens der Sowjetunion – die politische Führung blieb allerdings weitgehend die alte. Bei der Verabschiedung einer neuen Verfassung im Jahr 1994 kam Alexander Lukaschenko an die Macht. Eine Macht, die er stetig ausbaute. 

 

Immer wieder demonstrierte das Volk, doch Lukaschenko gelang es jedes Mal, die Proteste zu unterdrücken. Wenn sich das Volk «fügte», folgten nach einigen Jahren wieder bescheidene Liberalisierungen.In ihrem Buch «Die Revolution hat ein weibliches Gesicht» spricht die Aktivistin und Chronistin Olga Shparaga für diese Periode von einem «Sozialvertrag zwischen dem Staat und der Gesellschaft»: «Die Gesellschaft unterstützt alle Entscheidungen des Regimes, dieses sorgt im Gegenzug für eine gewisse soziale Stabilität.»

 

Mit diesem «Sozialvertrag» war es spätestens beim Ausbruch der Covid-19-Pandemie im März 2020 vorbei. Das Regime verharmloste die Pandemie; die Zivilgesellschaft begann, sich selber zu helfen und zu organisieren. Die Solidarität war gewaltig. Die so entstandenen Netzwerke bildeten ein paar Wochen später die Grundlage der Protestbewegung. 

 
 
 

 
 

Weiss-Rot-Weiss: Die Farben der belarusischen Demokratiebewegung haben ihren Ursprung in der Nationalflagge der belarusischen Volksrepublik aus 1918. Bei der belarusischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 wurde die Flagge wieder eingeführt, bis Alexander Lukaschenko sie 1995 durch eine Variante ersetzte, die der Flagge aus Sowjetzeiten ähnelte.
BILD:Jana Shnipelson auf Flickr

 
 
 

 

Chatdienste und eine Flugzeugentführung 

 

Die Menschen in Belarus haben immer wieder neue Wege gefunden, um trotz aller Widrigkeiten ihren Protest zu zeigen. Doch auch Lukaschenko hat an Kreativität zugelegt. Kaum ein Vorfall – oder eher: ein Verbrechen – zeigt dies besser als die berühmt-berüchtigte Entführung von Roman Protassewitsch.


Der junge Journalist hatte bereits 2019 ins polnische Exil fliehen müssen. Dort war er Chefredaktor und Moderator von zwei Telegram-Kanälen, die in Belarus äusserst beliebt sind. Telegram ist ein Nachrichtendienst, der als sicherer gilt als beispielsweise Whatsapp und so zu einer wichtigen Informationsplattform für die belarusische Opposition wurde. Als Lukaschenko die Strassendemonstrationen mit Massenverhaftungen zu ersticken versuchte, konnten der Informationsaustausch und der Protest digital über Telegram trotzdem weitergehen. Roman Protassewitsch verbreitete zum Beispiel Videos der Polizei- und Staatsgewalt während der Kundgebungen im Spätsommer 2020. Eine grosse Gefahr für Lukaschenko. Protassewitsch wurde zum Staatsfeind erklärt.

 

Am 23. Mai 2021 gelang dem Lukaschenko-Regime dann eine Flugzeugentführung, die weltweit durch die Medien ging. Das Flugzeug, das Protassewitsch von Athen nach Vilnius fliegen sollte, musste unter dem Vorwand einer Bombendrohung in Minsk landen. Roman Protassewitsch und seine Freundin wurden festgenommen. Medien berichteten, wie der damals 26-Jährige zitternd gesagt habe: «Sie werden mich hinrichten».  
Später liess das Regime ein Video mit einem erzwungenen Geständnis von Protassewitsch  zirkulieren. Die Folterspuren in seinem Gesicht waren deutlich sichtbar. 

 
 
 

 
 

Öffentliche Vorführung eines Kritikers: Am 3. juni 2021 strahlte das belarusische Staatsfernsehen ein Interview mit dem inhaftierten Regierungskritiker Roman Protassewitsch aus (links im Bild). Darin gestand der Journalist und Blogger ein, zu Protesten aufgerufen zu haben, und lobte Machthaber Lukaschenko. Protassewitschs Eltern und Experten waren sich einig: Es sind deutlich Folterspuren zu sehen.
BILD: Belta auf Youtube (Bildschirmfoto)

 
 
 

 

Todesstrafe ohne Datum und Grab 

 

Die Befürchtung von Roman Protassewitsch, hingerichtet zu werden, war nicht weit hergeholt. Belarus ist das einzige Land in Europa und in der ehemaligen Sowjetunion, das noch an der Todesstrafe festhält. Und dies auf sehr makabre Weise. Zum Tod Verurteilte erfahren erst kurz vor der Hinrichtung, dass es so weit ist – und leben somit in ständiger Angst, jederzeit umgebracht werden zu können. Die Familie wird oft erst im Nachhinein informiert und darf nicht wissen, wo sich der Körper oder die Grabstätte befindet. Dies alles komme «ebenfalls Folter gleich», urteilte ein UNO-Sonderbeauftragter 2018. 

 

Im September 2020 hoffte ACAT-Schweiz auf einen Umbruch und forderte von Belarus ein Moratorium für die Todesstrafe sowie die Freilassung der Brüder Kostseu, die als Minderjährige einen Mord begangen hatten und daraufhin zum Tod verurteilt wurden. Die Strafe der beiden jungen Männer wurde im April 2021 in lebenslange Haft umgewandelt. Der politische Umbruch jedoch blieb aus; ebenso Reformen bezüglich der Todesstrafe. 

 

Menschen als Spielfiguren 

 

Ein weiteres weltbekanntes Beispiel der brutalen Skrupellosigkeit von Lukaschenko ist die Instrumentalisierung von Geflüchteten aus den Nahen Osten, die ab Juni 2021 nach Belarus gelockt wurden. Belarus schleuste sie zu den Grenzen von Litauen, Lettland und Polen – mit dem Auftrag, in die EU zu gelangen. Wie Spielfiguren sollten diese Menschen die EU Schachmatt setzen, oder zumindest eine neue «Migrationskrise» auslösen und Druck aufbauen. Belarus erhoffte sich Lockerungen der Sanktionen, welche die EU dem Land auferlegt hatte. Stattdessen antworteten einige der betroffenen EU-Staatenmit Menschenrechtsverletzungen, indem sie den Geflüchteten die Aufnahme verweigerten und sie abwiesen, und schotteten sich ab. Zwischenzeitlich harrten Tausende Geflüchtete unter den schrecklichsten Bedingungen in den Wäldern an der Grenze aus; mindestens 21 von ihnen starben, oft an Unterkühlung. Hunderte Menschen sind weiterhin in Lagerhäusern untergebracht. Wie viele noch in den Wäldern sind, ist unklar. Sowohl auf der belarusischen als auch auf EU-Seite herrscht grosse Intransparenz. 

 

«Zusammenarbeit» Protassewitsch-Lukaschenko 

 

Der schamlose Sarkasmus geht weiter. Am 24. Januar 2022 wurde auf einem pro-Lukaschenko-Youtubekanal ein bizarrer Livestream ausgestrahlt, in dem ein aufgeweckter, fast entspannter Roman Protassewitsch mitteilte, er arbeite nun mit den Behörden zusammen – und unterstütze sie in Menschenrechtsthemen. Zum Beispiel bei der Untersuchung der Gewalt, die polnische Sicherheitskräfte an der Grenze gegen Migranten anwendeten. Fragen der Zuschauer beantwortete Protassewitsch mit Sätzen wie: «Über Wahlbetrug zu urteilen, liegt nicht in meinem Zuständigkeitsbereich. […] Darüber müssen […] Menschen sprechen, die das mit Fakten und Dokumenten belegen.» Um etwas Abstand zu negativen Nachrichten zu gewinnen, habe er in den letzten Monaten die Nachrichten nicht wirklich verfolgt. Ob er wieder im Ausland leben wolle, zum Beispiel in Polen? «Ich wüsste nicht, was ich dort machen sollte. Mein Vaterland ist Belarus.»

 

Zum wiederholten Mal erpresst Lukaschenko hiereinen Kritiker und führt diesen vor; Protassewitsch kann nicht anders, als das schlimme Spiel mitzuspielen. Wie Protassewitschs heutige Situation wirklichaussieht, bleibt unklar. Das Video ging völlig an der internationalen Aufmerksamkeit vorbei. Die belarusische Repressionist aus den Schlagzeilen verschwunden. 

 

Die Schweiz reagiert zögernd 

 

Wie so oft, wenn es um Menschenrechtsfragen geht, reagiert die Schweiz zögerlich. Der Bundesrat weigert sich, Swetlana Tichanowskaja zu treffen, während sie von vielen anderen demokratischen Ländern auf höchster Ebene empfangen wird. Auch eine Verschärfung der Sanktionen gegenüber Belarus kommt für den Bundesrat nicht in Frage.

 
 
 

Die schweizerisch-belarusische Doppelbürgerin Natallia Hersche verbrachte siebzehn Monate in belarusischen Gefängnissen, bevor es dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gelang, sie freizukriegen. Hersche war während den Kundgebungen im Spätsommer 2020 verhaftet worden. Ihre Freilassung am 18. Februar 2022 ist eine wunderbare Nachricht. Doch warum musste sie so lange darauf warten? Hätte Bundesrat Ignazio Cassis mehr tun können? Noch im Januar 2022 hatte eine breite Frauenallianz, darunter ACAT-Schweiz-Generalsekretärin Bettina Ryser Ndeye, Cassis zu einem entschiedeneren Handeln aufgefordert, dies u.a. mit Verweis auf die katastrophalen hygienischen Verhältnisse und die mangelnde bis inexistente medizinische Versorgung in den belarusischen Gefängnissen.

 

 
 
 

 
 

Natallia Hersche bei ihrer Ankunft in Zürich am 18. Februar 2022. ACAT-Schweiz durfte dabei sein, als Natallia von einer kleinen Delegation der Zivilgesellschaft im Flughafen begrüsst wurde.
Bild: Campax

 
 
 

Bei Redaktionsschluss ist unklar, welche Rolle die neue Schweizer Botschafterin in Minsk bei Hersches Freilassung gespielt hat. Das EDA hatte sich mit der Entsendung einer neuen Botschafterin und der damit verbundenen Übergabe ihres Beglaubigungsschreibens an Lukaschenko bessere Chancen auf eine Haftentlassung erhofft. Für viele belarusische Oppositionelle wäre die Übergabe des Beglaubigungsschreibens an den Diktator jedoch ein Schlag ins Gesicht aller politischen Gefangenen in Belarus. Eine Akkreditierung durch Lukaschenko käme nämlich faktisch einer Anerkennung seiner Präsidentschaft gleich.  

 

Auch die Wirtschaft soll die Menschenrechte ernster nehmen. Zahlreiche westliche Firmen wie Mars, Procter & Gamble und Sanofi schalten Werbung im belarusischen Staatsfernsehen, dem Sprachrohr des Lukaschenko-Regimes. Eine willkommene finanzielle Stütze für die staatliche Propagandamaschinerie. Nach öffentlichem Druck durch die Menschenrechtsorganisation Libereco machen Unternehmen wie Henkel, JYSK, Nestlé oder Sandoz im Jahr 2022 keine Werbung mehr in Lukaschenkos Propaganda-TV. 

 

«Behalten Sie Belarus auf der Agenda» 

 

Bei Redaktionsschluss dieses Dossiers ist das Ergebnis des Verfassungsreferendums vom 27. Februar 2022, das Lukaschenko noch mehr Macht verleihen soll, noch nicht bekannt. Mehr als eine weitere traurige Maskerade wird nicht erwartet. Umso wichtiger ist, dass der Widerstand anhält – auch bei uns. Ende Januar 2022 postete Swetlana Tichanowskaja eine eindringliche Videobotschaft auf Twitter: «Wir alle sind stark genug, um die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und alle Unschuldigen freizulassen. Behalten Sie Belarus auf der Agenda. Sprechen Sie laut über die politische Menschenrechtskrise und die mutigenBelarusen. Helfen Sie weiterhin den politischen Gefangenen, bis sie alle frei sind. Halten Sie zu Belarus.»

 
 
 
 

* Belarus – belarus(s)isch

 

ACAT-Schweiz folgt der Empfehlung der Belarusisch-Deutschen Geschichtskommission, statt «Weissrussland» den Landesnamen «Belarus» zu verwenden. Damit wird deutlich, dass es sich bei der Republik Belarus um einen souveränen Staat handelt, der nicht Teil Russlands ist. Ebenso übernehmen wir das Adjektiv «belarusisch» mit einem s – analog zur Schreibweise im Belarusischen: belaruskajamowa. Auch hier gilt es, eine klare Abgrenzung zum russischen Nachbar zu machen. 

 
 
 

Downloads

 

 

Kampagnendossier Karfreitag 2022 in Deutsch und Französisch (PDF)

 
 

Kollektenansage

 

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Inspiration für Ihren Gottesdienst

 

Lassen Sie sich für Ihren Gottesdienst oder für weitere Anlässe inspirieren! Die ACAT-Gruppe Essen-Byfang aus Deutschland stellt Ihnen ihre Karfreitagsliturgie mit Liedtexten zur Verfügung.

 

→ zur Karfreitagsliturgie

 
 

Ein Licht der Hoffnung

 

 

Die ACAT-Lichttüten sind weiterhin bei der ACAT-Geschäftsstelle erhältlich (ab 0.5 Franken pro Stück).

 

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