Juli 2023

 

8. periodische Überprüfung der Schweiz durch den UNO-Ausschuss gegen Folter

 

UNO-Ausschuss gegen Folter untersucht die Schweiz

 

Im Juli hat der UNO-Ausschuss gegen Folter (CAT) die Schweiz unter die Lupe genommen. Für eine nuancierte Beurteilung unseres Landes ist das CAT auf umfassende Informationen angewiesen. ACAT-Schweiz hat an vorderster Front dazu beigetragen. Das Resultat ist ein CAT-Bericht, der die Schweiz in mehreren Punkten scharf kritisiert.

 

Diesen Text finden Sie auch in unserem Magazin «Aktiv werden mit ACAT» vom September 2023

 

 

Am 12. und 13. Juli 2023 führte der UNO-Ausschuss gegen Folter (CAT) die achte periodische Überprüfung der Schweiz durch. Der CAT stützte sich dabei auf den Bericht, den Bundesbern ihm 2019 vorgelegt hatte. Dieser Bericht legt dar, wie unser Land aus Sicht der Behörden das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe einhält.

 

(→ siehe Kasten: Was ist das Übereinkommen gegen Folter?)


Die NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz, in der über 100 NGOs zusammengeschlossen sind, hat eine eigene Bestandsaufnahme der Einhaltung des Übereinkommens durch die Schweiz durchgeführt. Dieser «Alternativbericht» wurde am 12. Juni 2023 veröffentlicht. Er beschreibt die Anliegen der Zivilgesellschaft und schlägt dem UNO-Ausschuss eine Reihe von Empfehlungen vor. ACAT-Schweiz hat die Ausarbeitung dieses Berichts koordiniert und auch redaktionelle Beiträge geliefert.


Zweimal trafen sich ACAT und Vertreter der NGO-Plattform mit Huawen Liu und Todd Buchwald. Die beiden Experten des Ausschusses sind die für die Prüfung der Schweiz zuständig. An diesen Treffen konnten wir die prioritären Themen des Alternativberichts weitergeben und die Fragen des Ausschusses beantworten.


«Ist das wirklich genug?»


Am 12. und 13. Juli fand dann ein interaktiver Dialog zwischen den Mitgliedern des Ausschusses und den Schweizer Behörden statt. Die 17-köpfige Schweizer Delegation wurde vom Vizedirektor des Bundesamts für Justiz, Bernardo Stadelmann, geleitet.
Die beiden Experten griffen akribisch die Elemente des Alternativberichts der NGOs auf:

 

  • Todd Buchwald kritisierte scharf das Fehlen einer Anti-Folter-Bestimmung im Strafgesetzbuch und betonte die zahlreichen rechtlichen Probleme, die sich daraus ergeben.

 

  • Er begrüsste die kürzlich erfolgte Gründung der Schweizer Menschenrechtsinstitution, wies aber auf die unzureichenden Mittel für die Institution hin: «Eine Million Franken ... wie soll ich die Frage anders formulieren ... ist das wirklich genug?», fragte er die Schweizer Delegation.

 

  • Todd Buchwald äusserte schliesslich seine Besorgnis über die zahlreichen Gewaltvorfälle in den Bundesasylzentren.

 

  • Huawen Liu kritisierte seinerseits, dass die Schweiz nicht gründlich und systematisch prüfe, inwiefern die Inhaftierung von Asylsuchenden notwendig sei: «Migration ist kein Verbrechen», meinte er eindringlich.

 

  • Darüber hinaus kritisierte er den Mangel an Plätzen in psychiatrischen Einrichtungen für Personen, für die gemäss Artikel 59 des Strafgesetzbuches eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet wurde.

 

  • Er bedauerte auch, dass es in der Schweiz keine unabhängigen Mechanismen zur Bearbeitung von Beschwerden über Polizeigewalt gibt, was von den UNO-Gremien immer wieder kritisiert wird.


Die unvollständigen Antworten der Schweiz


In ihren Antworten an den Ausschuss sprach die Schweizer Delegation mehrere Themen an, schwieg aber auch zu vielen anderen.

 

  • In Bezug auf die Strafbarkeit von Folter sagte sie, sie nehme die Bemerkungen der Experten «wohlwollend zur Kenntnis» – ein wesentliches Zeichen der Offenheit im Vergleich zu ihrer früheren Position. Bisher war der Bundesrat fest davon überzeugt, dass mit den bestehenden Bestimmungen alle Verhaltensweisen abgedeckt sind, die als Folterhandlungen eingestuft werden können.

 

  • Die Delegation wich hingegen Fragen zur Finanzierung der Schweizer Menschenrechtsinstitution aus. Sie sagte lediglich, wenn die Institution in Zukunft mehr Finanzmittel haben möchte, könne sie dies immer noch bei der Bundesversammlung beantragen, d.h. in vier Jahren, wenn die neuen Finanzmittel für diese Institution festgelegt werden.

 

  • Was die unzureichende Anzahl von Plätzen für Personen in stationären therapeutischen Massnahmen betrifft, gaben die Schweizer Behörden zu, sich des Problems «sehr wohl bewusst» zu sein. Die Kantone hätten jedoch den Bau von fünfhundert Plätzen für psychisch kranke Häftlinge vorgesehen – eine gute Nachricht.

 

  • In Bezug auf Fragen der Gewalt in Bundesasylzentren versicherte die Schweiz, dass es sich nur um Einzelfälle und nicht um ein systematisches Problem handle, eine Erklärung, die den Ausschuss wenig überzeugte. Eine grosse Anzahl von Massnahmen sei aber ergriffen worden, um ähnliche Vorfälle in der Zukunft zu verhindern.

 

  • Was Polizeigewalt und unabhängige Untersuchungsmechanismen angeht, bezog sich die Schweizer Delegation lediglich auf die Situation im Kanton Genf. Das ist irreführend, denn Genf ist der einzige Schweizer Kanton, der über einen Mechanismus zur Bearbeitung von Beschwerden über Polizeigewalt verfügt.


Der Schlussbericht des CAT


Am 28. Juli 2023 veröffentlichte der Anti-Folter-Ausschuss seine Schlussbemerkungen. Damit schloss er den achten Prüfungszyklus der Schweiz ab. Das Dokument gibt eine Reihe von Empfehlungen ab, deren Einhaltung die Schweiz grundsätzlich anstreben sollte. Dies ist also ein ausgezeichneter Hebel, um die Behörden dazu zu bewegen, Misshandlungen zu verhindern, sowohl auf ihrem Territorium als auch im Ausland, insbesondere bei der Rückführung von Asylsuchenden. Für ACAT-Schweiz, die sich seit Jahren für die Strafbarkeit von Folter einsetzt, besonders bemerkenswert: Der Ausschuss hat der Rechtskommission des Nationalrats bis zum 29. März 2024 Zeit gegeben, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten, der dann den beiden Kammern des Parlaments vorgelegt werden soll.


Als Koordinatorin der Koalition der Schweizer NGOs beim UNO-Ausschuss gegen Folter ist ACAT stolz auf die gemeinsam mit den anderen Organisationen geleistete Arbeit. Sie freut sich darauf, die Empfehlungen des Ausschusses im Rahmen eines konstruktiven Dialogs mit den Schweizer Behörden zu nutzen.

 

Etienne Cottier, Verantwortlicher juristische Dossiers und Interventionen

 

 
 
 

 

 
 

Das Übereinkommen gegen Folter


Das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe betrifft verschiedene Rechtsbereiche, wie die Strafbarkeit von Folter, die Situation von Asylsuchenden, Polizeigewalt und Inhaftierung. Es handelt sich um das wichtigste internationale Instrument, auf das sich ACAT stützt, um die Einhaltung der Menschenrechte im Rahmen ihrer Interventionen durchzusetzen.
Artikel 3 des Übereinkommens verlangt, dass jeder Vertragsstaat Folterhandlungen unter Strafe stellt. Die Schweiz setzt diesen Artikel immer noch nicht um, da es in ihrem Strafgesetzbuch keine Bestimmung gegen Folter gibt. Das Übereinkommen trat in der Schweiz jedoch 1987, also vor über 35 Jahren, in Kraft.