Argumentarium gegen die Todesstrafe

 

Acht Gründe für die Abschaffung der Todesstrafe

 

Why do we kill people who kill people to prove killing people is wrong?

 

  1. Die Todesstrafe ist unwiderruflich: Nirgends auf der ganzen Welt gib es ein fehlerloses Justizsystem. In allen Staaten, die die Todesstrafe vollstrecken, kommt es zur Hinrichtung von unschuldigen Menschen.
  2. Die Todesstrafe macht die Welt nicht sicherer. Es wurde nie schlüssig bewiesen, dass die Todesstrafe wirksamer von Verbrechen abhält als andere Strafen.
  3. Die Todesstrafe ist widersprüchlich: Ein Staat, der die Tötung eines Menschen als Strafe vorsieht, unterstützt die Idee des Mordes mehr, als er sie bekämpft.
  4. «Auge um Auge, und die Welt wird blind werden.» (Mahatma Ghandi) Die Todesstrafe basiert nicht auf dem Prinzip der Gerechtigkeit, sondern auf Rache.
  5. Die Todesstrafe ist ungerecht: Sie ist diskriminierend und wird oft gegen Arme und geistig Behinderte eingesetzt. Sehr oft sind Menschen betroffen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen, nationalen oder religiösen Minderheit diskriminiert werden.
  6. Die Todesstrafe bringt den Familien der Opfer von Tötungsdelikten keine Gerechtigkeit: Die Folgen eines Mordes können nicht mit einem weiteren Mord beseitigt werden.
  7. Die Todesstrafe schafft immer neue indirekte Opfer: Die Nahestehenden der Verurteilten, ihre Frauen, Männer, Kinder, Eltern usw., werden quasi «mitverurteilt». Sie trauern, aber ihre Trauer ist oft nicht erlaubt, ja sogar verpönt. Ausserdem werden sie diskriminiert und stigmatisiert.
  8. Die Todesstrafe ist unmenschlich, grausam und entwürdigend: Die erbärmlichen Lebensbedingungen in den Todestrakten verursachen äusserstes Leiden; die Hinrichtung ist eine körperliche und geistige Aggression. Die Todesstrafe kommt deshalb Folter gleich. Sie soll als Verletzung des Folterverbots angesehen werden.

 

Ausserdem: Die Todesstrafe ist nach mehreren Quellen des Völkerrechts verboten.

 

  • Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Europäische Menschenrechtskonvention werden von Fakultativprotokollen begleitet, die die Abschaffung der Todesstrafe vorsehen.
  • Die Todesstrafe steht im Widerspruch zu dem internationalen Trend zur Abschaffung, der in acht Resolutionen der UNO-Generalversammlung anerkannt wurde.
  • Die Vereinten Nationen und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben in mehreren Fällen festgestellt, dass die Todesstrafe gegen das Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verstösst.

 

 
 

Mythen und Fakten zur Todesstrafe

 

«Die Todesstrafe hat abschreckende Wirkung auf Gewaltverbrechen und bringt der Gesellschaft mehr Sicherheit.»

 

Die Todesstrafe ist ohne spezifische Wirkung auf die Kriminalität. 2004 in den USA durchgeführte Studien zeigen, dass die Durchschnittsrate von Tötungsdelikten in Staaten, die diese Strafe vollziehen, bei 5,71 pro 100 000 Einwohner liegt und bei 4,02 für Staaten, die diese Strafe nicht vollziehen. Laut ähnlichen Studien, die in Kanada zwischen 1975 (dem Jahr vor der Abschaffung der Kapitalstrafe) und 2003 durchgeführt worden sind, ist die Rate der Tötungsdelikte um 44 Prozent gesunken. Zudem haben potentielle Sanktionen nur beschränkten Einfluss auf deliktische Handlungen, glauben doch die Delinquenten nicht, dass sie verhaftet und für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden. Die Todesstrafe bringt der Gesellschaft nicht mehr Sicherheit. Sie kann den Einsatz von Gewalt legitimieren und den Kreislauf der Gewalt aufrechterhalten.

 

«Die Todesstrafe senkt die Drogenkriminalität.»

 

Der Rückgriff auf die Todesstrafe bei Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz läuft dem internationalen Recht zuwider.

Indonesien, China, Iran, Malaysia, Saudi-Arabien und Singapur gehören zu jenen Ländern, die bei Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz die Todesstrafe vollstrecken. Dass der Rückgriff auf die Todesstrafe bei dieser Art von Kriminalität eine abschreckendere Wirkung hat als lange Gefängnisstrafen, ist bisher noch nie eindeutig bewiesen worden.

 

«Wer getötet hat, verdient den Tod. Das ist ausgleichende Gerechtigkeit.»

 

Im modernen westlichen Recht kommt der Grundsatz der Vergeltung des Gleichen mit Gleichem in Strafsachen nicht mehr vor. Nach heutiger Auffassung handelt es sich dabei eher um private Rache als um Rechtsprechung.

Die Todesstrafe verstösst gegen das Recht auf Leben und das Recht, keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe ausgesetzt zu werden. Sie ist ein Verstoss gegen das Gebot «Du sollst nicht töten». Die Todesstrafe ist endgültig und unwiderruflich. Es kann zur Hinrichtung Unschuldiger kommen. Zudem wird sie oft willkürlich im Gefolge von rechtsstaatlich bedenklichen Prozessen (und zuweilen gestützt auf unter der Folter erpresste Geständnisse) und gegen sozial Benachteiligte oder Angehörige von Minderheiten verhängt. Ausserdem verschafft die Hinrichtung des Mörders der Familie des Opfers keine Gerechtigkeit.

 

«Die Androhung der Hinrichtung ist eine effiziente Strategie gegen Terrorismus.»

 

Menschen, die zu Gewaltakten mit hohem Zerstörungspotential bereit sind, um die Gesellschaft zu terrorisieren, wissen, dass sie grosse körperliche Risiken eingehen. Ihre Sicherheit kümmert sie mithin nicht. Solche Personen hinzurichten läuft häufig darauf hinaus, Werbung für jene Gruppen zu machen, denen sie angehören, und Märtyrer hervorzubringen, die noch mehr Anhänger anziehen werden. Zahlreiche Staaten haben versucht, dem Terrorismus mit dem Einsatz der Todesstrafe Einhalt zu gebieten. Im November 2005 hat Irak das «irakische Antiterrorgesetz» verabschiedet, das die «Terrorismuswelle» nur ungenau definiert. Im Namen dieses Gesetzes sind in Irak zahlreiche Hinrichtungen vollzogen worden.

 

«Zulässig ist die Todesstrafe, wenn sie von einer Bevölkerungsmehrheit befürwortet wird.»

 

Den Staaten steht es zu, Gesetze zu erlassen, aber unter Achtung der Menschenrechte. Die Geschichte ist voll von Verstössen gegen die Menschenrechte, die einst von einer Mehrheit befürwortet worden sind, aber inzwischen Abscheu erregen. In gewissen Gesellschaften waren Sklaverei, Rassentrennung und Lynchjustiz durchaus akzeptiert, obwohl solche Praktiken die Rechte der Opfer mit Füssen traten oder noch immer treten. Nachvollziehbar ist, dass die Bevölkerung von ihren Verantwortungstragenden harte Massnahmen gegen Gewalt verlangt und ihrer Wut über brutale Gewaltverbrecher Ausdruck gibt. Gleichwohl sollen Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft mit gutem Beispiel vorangehen und mit der Opposition gegen die Todesstrafe die Menschenrechte verteidigen. Zudem sollen sie ihren Mitbürgerinnen und -bürgern erklären, weshalb Staaten von derartigen Praktiken Abstand nehmen müssen.

 

«Hinrichtungen stellen bei Gewaltverbrechen die kostengünstigste Lösung dar.»

 

Diese Behauptung ist falsch. Namentlich in den USA wird mehr und mehr die Frage nach den Kosten der Todesstrafe gestellt. Zwar ist es schwierig, die wirklichen Kosten für die Todesstrafe zu beziffern, doch kommen sämtliche in den verschiedenen Staaten durchgeführten Studien zum Schluss, dass diese Strafe teurer ist als eine Inhaftierung. Auf die Todesstrafe zu setzen, um die Zahl der Gefängnisinsassen zu reduzieren, ist im Übrigen ein absolut vergebliches Unterfangen. In den USA gibt es ungefähr 2,2 Millionen Gefangene, aber lediglich 3 000 zum Tode Verurteilte. Selbst wenn alle diese Verurteilten hingerichtet würden, käme es zu keiner spürbaren Senkung der Zahl der Gefängnisinsassen. Wichtig ist hier der abschliessende Hinweis, dass eine Gesellschaft nicht Gewalt akzeptieren und die Menschenrechte opfern darf, um Kosten zu senken. Der Entscheid, einem Leben ein Ende zu setzen, darf nicht pekuniär motiviert sein.

 
 
 
 

8 Gründe für die Abschaffung der Todesstrafe

 

→ Argumentarium als PDF