Was kann man gegen Folter tun?

 
 

Völkerrechtliche Instrumente


Einführung in den Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention


Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vielfach verwendeten Worte lauten: Artikel 3 enthält einen der fundamentalsten Werte jeder demokratischen Gesellschaft, indem er sagt:
«Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden».

Mit diesen 13 Worten ist der Artikel 3 einer der kürzesten der Konvention. Aber die Kürze des Artikels darf keinen falschen Eindruck seiner tieferen Bedeutung vermitteln. Im Gegensatz zu anderen Artikeln der Konvention gilt dieser Artikel 3 uneingeschränkt und ohne Vorbehalte. Die Behörden eines Landes dürfen keine Bemühungen scheuen, wenn es um die Respektierung und Anwendung dieser Bestimmung geht. Trotz der deprimierenden Tatsache, dass Folter laut zuverlässigen Quellen weltweit fortbesteht, ist diese Praxis nicht nur durch die Konvention verboten: sie ist auch Teil des Internationalen Gewohnheitsrechts und gilt als jus cogens.

Eine breite Palette an internationalen Übereinkommen wurde angenommen, um gegen die Geissel der Folter zu kämpfen. Dies geht von Artikel 5 der Universellen Deklaration der Menschenrechte: «Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden» bis zum Statut von Rom des Internationalen Strafgerichtshof laut welchem Folter, die im Rahmen eines generalisierten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung verübt wird, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.

Nebst der Europäischen Konvention gehören die meisten Mitgliederstaaten des Europarats ebenfalls den folgenden Abkommen, welche alle Folter verbieten, an:

  • Den vier Genfer Abkommen von 1949
  • Dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Vereinte Nationen, 1966), dessen Artikel 7 sagt: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“.
  • Der Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafen (Vereinte Nationen, 1984)
  • Der Europäischen Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1987)


Die Folter ist auch in fast allen internen Rechtssystemen verboten. Der Einschluss des Folterverbots und unmenschlicher und entwürdigender Behandlung in eine nationale Verfassung ist auch ein wichtiger Aspekt, wenn man gewährleisten will, dass dieses verbotene Verhalten sich nicht in der Rechtsprechung eines Mitgliederstaats findet.


Die Verantwortung der Staaten


Das Folterverbot gilt absolut und wird von einem Grossteil der internationalen Staatengemeinschaft akzeptiert. Aber trotz bestehender Kontrollmechanismen  (UNO-Ausschuss gegen Folter oder CAT) wird Folter weiterhin in zahlreichen Ländern systematisch angewendet. Dabei verbietet die internationale Rechtsprechung Folter uneingeschränkt. Dies bedeutet, dass Staaten diese niemals anwenden dürfen, unter keiner Bedingung und ohne Ausnahme. Für Folter gibt es deshalb nie eine Entschuldigung.

Da Folter verboten ist, bedeutet dies auch, dass kein Staat das Recht hat, unter Folter erzwungene Geständnisse bei Verurteilungen zu verwenden. Er hat auch nicht das Recht, jemanden in ein Land zurückzuschicken, wo er Folter riskiert. Die Länder tragen folglich eine Verantwortung und müssen um jeden Preis verhindern, dass jemand auf ihrem Territorium oder anderswo auf der Welt gefoltert wird.

In diesem Jahrzehnt hat eine grosse westliche Demokratie, die USA, gewisse Folterpraktiken legitimiert. Seit dem 11. September verwenden die USA in ihrem Kampf gegen den Terrorismus international als illegale geltende Methoden. Sie verwenden legale Kunstgriffe und versuchen, die absolute Gültigkeit des Folterverbots in Frage zu stellen.

Mit Szenarien wie der «Zeitbombe» (soll man jemanden foltern, wenn er weiss, wo die Bombe ist?) haben die USA eine Bresche ins Folterverbot geschlagen. Am 17. Oktober 2006 hat George W. Bush ein Gesetz unterzeichnet, welches das angemessene Verhalten angesichts von «feindlichen Kämpfern» festlegt. Dieses Gesetz gestattet den Gerichten, unter Folter erhaltene Geständnisse zu verwenden. Ausserdem bedient sich die Regierung einer List, um internationale Abkommen zu umgehen. Ein am 20. Juli 2007 angenommenes Dokument gestattet die Anwendung «spezieller Methoden» während eines Verhörs. Die USA verletzt auf diese Weise quasi legal das Folterverbot. Seit dem Machtantritt von Barack Obama als Präsident 2008 wurde die Qual des  «waterboarding» verboten. Doch dies bedeutet kein generelles Ende von Folter.

Folter wird durch Schweigen mächtiger…aus diesem Grunde müssen wir handeln!

 
 

Durch die Zivilbevölkerung

 
 

Den Stummen eine Stimme verleihen

Opfer werden häufig sozial diskriminiert: es handelt sich um Arme, Oppositionsmitglieder oder Minderheiten. Gewisse Organisationen wie ACAT verleihen ihnen durch ihre Netzwerke eine Stimme: sie informieren die Öffentlichkeit, intervenieren mit Briefen, Appellen oder Petitionen. Sie machen auch Druck auf die betroffenen Regierungen und Behörden, damit diese ihr internationales Engagement würdigen und deren Menschenrechte respektieren und schützen. Diese Organisationen lancieren auch Kampagnen, um die Öffentlichkeit für bestimmte Themen zu sensibilisieren: Folter, Verschwindenlassen, Haftbedingungen, usw. Die Opfer können mit Hilfe der  Netzwerke von ACAT ihrer Not Ausdruck verleihen und ihre Rechte einfordern.

Diese Kampagnen und Briefinterventionen können zu einer Verbesserung der Situation der Gefangenen und (potentiellen) Opfer von Menschenrechtsverletzungen beitragen. Im besten Fall:

  • Hören die Misshandlungen auf
  • Haben die Gefangenen Zugang zu ihren Angehörigen, zu Ärzten und Anwälten
  • Werden inhaftierte Personen frei gelassen

 

Die Opfer von Menschenrechtsverletzungen bekräftigen immer wieder, wie wichtig diese Interventionen für sie sind und bitten die Menschenrechtsorganisationen eindringlich, in ihrem Engagement  nicht nachzulassen.

 
 

Einige Zeugenaussagen

 

«Die Wächter wagten weniger, uns zu schlagen, sie wussten, dass Leute von überall sich für uns mobilisierten».

Omar und Ayman, Tunesien, freigelassen in 2006.

 

«Ich wurde mir bewusst, dass wir alle den qualvollen Eindruck hatten, vergessen worden zu sein, aufgegeben oder – schlimmer noch – dass die ganze Welt nichts von uns wusste. Als ich nach Frankreich kam, habe ich ACAT kennengelernt und ich stellte fest, dass wir nicht vergessen und aufgegeben worden waren».

Pater Tan, Vietnam, 1996, verbrachte sieben Jahre in einem Umerziehungslager.

 

«Als die ersten Briefe kamen, gaben die Wachen mir meine Kleider zurück. Dann kamen 200 weitere Briefe und der Gefängnisdirektor kam zu mir. Nach einem erneuten Paket mit Briefen besprach sich der Direktor mit seinen Vorgesetzten. Die Flut an Briefen hörte nicht mehr auf: es waren mehr als 3000. Der Präsident der Republik wurde informiert. Es kamen weiterhin Briefe und der Präsident rief den Gefängnisdirektor an und befahl ihnen, mich freizulassen».

Julio de Pena Valdez, Dominikanische Republik, 1975, verhaftet und gefoltert.

 
 

Quellen: Amnesty International, You and AI, n°4, 2008, et ACAT-France. Unterschriften und Konventionen des Europarates: siehe conventions.coe.int. Abkommen der Vereinen Nationen: siehe treaties.un.org; Flyer von ACAT-Schweiz und Courrier de l’ACAT, n°300, Nov.-Dez. 2009.

 
 

Weitere Informationen unter:

 

> Die Ziele der Folter

> Die Ausbildung der Folterer