Bild: ACAT-Frankreich

 
 

 
 
 
 
 

 

Nächtliche Gebetswache 2023: Meditation

 

Beten als Kern des Handelns

 

Das Gebet existiert seit jeher in allen Religionen und Zivilisationen. Vom ängstlichen Flehen bis zum Lobpreis entspringt es dem Herzen des Menschen. Und natürlich setzt es voraus, dass jemand anderes da ist, an den es gerichtet ist und der es hören soll.


Was das christliche Fürbittgebet betrifft, so scheint es ständig in Spannung zu sein, insbesondere aufgrund unterschiedlicher Anweisungen aus dem Zweiten Testament, wie zum Beispiel: «Bittet, so wird euch gegeben» (Mt 21,22) und «Euer Vater weiss, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet» (Mt 6,8). Ausserdem muss man mit der Abwesenheit umgehen. Denn dieser Vater, der durch den Tod Christi in seiner absoluten Liebe offenbart wurde, dieser auferstandene Gott, dieser ganz Andere … wir fragen uns manchmal, wo er ist, in Anbetracht der unsäglichen Schmerzen, die wir in der Welt sehen. Warum bitten wir einen Gott, der gegenüber dem Leid stumm bleibt? Ach, es fällt uns so schwer, Gott nicht unseren Willen aufzwingen zu wollen (oder zu können?)! Es ist schwer, zu akzeptieren, dass wir ihm in uns selbst begegnen, in der Stille des Herzens …


Doch dann gilt es, den Durst nach Gerechtigkeit und die Liebe, die wir von Gott empfangen, in das wirkliche Leben zu übertragen. Und dieses lebe ich mit anderen, die Teil davon sind. Ihr Glück ist mein Glück, ihre Not ist meine Not. All diese Menschen tauchen in meinem Gebet auf, denn dort wird das Zusammenleben in aktiver, realer Solidarität vorbereitet. Und im Gebet werde ich die Gewissheit (wieder)finden, dass keiner der Menschen, für die ich bete, vor Gott vergessen geht. Ich werde auch die Freude (wieder)finden an aktiver und treuer Solidarität, um ihnen über die Not hinweg zu helfen und den Mut, über meine Bitten hinauszugehen, die Abwesenheit zu akzeptieren, aber meine Anwesenheit einzusetzen.


Das Gebet der ACAT-Mitglieder unterstützt die Gefolterten aus der Ferne und bezieht die Folterer mit ein. Auch sie sind Opfer von monströsen Systemen, die sie entmenschlichen. Das Gebet ist eine spirituelle Quelle für das Handeln von ACAT: Als individuelles Gebet entspringt es dem Herzen und als kollektives Gebet vereint es Menschen in ökumenischen Treffen und Feiern. «Bedeutet Fürbitte nicht, dass Christus durch den Heiligen Geist in uns betet? Fürbitte heisst, mit dem Sohn Gottes zu wachen, bis der Morgen kommt und der letzte Feind, der Tod ― alle Tode ―, besiegt ist. Doch dieser Morgen dämmert bereits. Der tote und auferstandene Christus ist der Morgenstern.» (Elisabeth Behr-Sigel).

Text: Auszüge aus der Meditation von ACAT-Frankreich zur Gebetswache 2023