Kampagne zum Tag der Menschenrechte, 10. Dezember 2021

 

Ein Senfkorn für Katar

 

Text: Markus Vögtli, reformierter Pfarrer in Murten, Mitglied ACAT-Vorstand seit 2020

 

Der Captain der finnischen Nationalmannschaft Tim Sparv kritisiert die WM in Katar scharf. Er war vor Ort und kam zur Einsicht: «Wir könnten bald in Stadien spielen, für die Arbeiter ihr Leben lassen mussten.»

 

Was bringt unsere flüchtige Entrüstung den ArbeiterInnen in Katar? Uns kostet sie nichts. Die ArbeiterInnen werden weiter bauen und arbeiten müssen wie SklavInnen, auch nach der Fussball-WM. Sie haben oft keine Wahl. Sie haben auch schon all die Wolkenkratzer gebaut, die aus dem Wüstensand in den Himmel ragen – schon lange vor der WM. Und weiterhin werden Millionen von Touristen nach Katar fliegen, um die Bauwerke zu bewundern, Wärme zu tanken und Luxus zu geniessen. Auch wenn diese glänzenden Fassaden unter menschenverachtenden Verhältnissen errichtet worden sind.

 

Wie ehrlich ist es, wenn wir uns jetzt auf die WM hin ein wenig entrüsten? Fühlen wir uns dadurch besser? Wollen wir zeigen, dass wir zu den Guten gehören? Aber boykottieren wir die Gotthard-Tunnels, weil auch dafür Gastarbeiter gestorben sind? Wer verzichtet aus demselben Grund auf die Fahrt aufs Jungfraujoch? Und: Heizt du deine Wohnung auch mit Öl? Fährt dein Auto mit Benzin oder Diesel? Dann weisst du ja, warum Katar so reich ist und sich alles leisten kann.

 

Die Öffentlichkeit wird sich schon bald abwenden und sich über die nächste Ungerechtigkeit entrüsten. Denn flüchtige Entrüstung kostet ja nichts.

 

Der finnische Fussball-Profi Tim Sparv übt denn auch Selbstkritik: «Ich weiss, dass ich diesen Artikel viele Jahre zu spät schreibe. Vielleicht hätten wir etwas ändern können. Vielleicht hätten wir sogar Leben retten können. Verdammt, wir sind zu spät aufgewacht. Ich bin zu spät aufgewacht.»

 

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Die Vorschläge der Juso Schweiz finde ich gut: kein Public-Viewing, keine Produkte mit dem WM-Logo drauf kaufen, Kritik äussern, ausgewogene Berichterstattung einfordern. Aber die WM werde ich mir anschauen. Fussball ist ein geniales Spiel. Es braucht nur einen Ball und zwei Büchsen für ein Tor und los geht’s. Die Regeln gelten für alle. Wer foult, wird verwarnt oder bestraft.

 

Ich zeige Katar für die Verletzung der Menschenrechte die rote Karte und unterschreibe die Petition von ACAT zum Menschenrechtstag 2021!

Sie trägt die Verheissung des Christus:

 

Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Denn sie werden satt werden.  (Mt 5,6)

 

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Sie werden es wissen.

Dass wir es wissen.

Sie werden in ihren Suiten und Lounges sitzen

und so tun, als wäre alles in Ordnung.

Alles bestens.

Fussballspiele und Werbung

werden rund um die Welt

in die Stuben flimmern.

Aber viele werden es wissen:

Hinter den glänzenden Fassaden

gibt es auch vieles,

worauf niemand stolz sein kann.

Es ist gut, dass sie es wissen,

die Reichen und Mächtigen,

dass wir dies wissen.

Der Stachel sitzt.

So ganz wohl

soll es ihnen nie mehr sein.

«Was ihr einem der Geringsten angetan habt,

das habt ihr mir angetan!»,

hat er gesagt,

der vor 2000 Jahren

gekommen ist,

das Reich Gottes anzusagen.

Er wurde aus dem Weg geräumt.

Aber viele wissen dank ihm

bis heute,

dass Unrecht

nicht sein soll.

Und dieses Wissen

könnte wie ein Senfkorn sein,

das Wurzeln schlägt und emporwächst

bis schliesslich die Vögel in seiner Krone nisten

- in Katar und anderswo.

 

Markus Vögtli

 

 
 

Auf die grössten, tiefsten, zartesten Dinge in der Welt
müssen wir warten,
da geht’s nicht im Sturm,
sondern nach den göttlichen Gesetzen
des Keimens und Wachsens und Werdens.


Dietrich Bonhoeffer,
evangelischer Theologe (1906-1945)

 
 
 
 

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